2020
Dissertation, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, 2020
Veröffentlicht auf dem Publikationsserver der RWTH Aachen University
Genehmigende Fakultät
Fak07
Hauptberichter/Gutachter
;
Tag der mündlichen Prüfung/Habilitation
2020-06-24
Online
DOI: 10.18154/RWTH-2020-08467
URL: http://publications.rwth-aachen.de/record/795637/files/795637.pdf
Einrichtungen
Inhaltliche Beschreibung (Schlagwörter)
Fahrerablenkung (frei) ; Fahrleistungsbewertung (frei) ; automated driving (frei) ; automatisiertes Fahren (frei) ; driver distraction (frei) ; evaluation of driving performance (frei) ; fahrfremde Tätigkeiten (frei) ; functional behavioural adaptations (frei) ; funktionale Verhaltensanpassungen (frei) ; non-driving related tasks (frei) ; regulative driver behaviour (frei) ; regulatives Fahrerverhalten (frei)
Thematische Einordnung (Klassifikation)
DDC: 150
Kurzfassung
Individuelle Mobilität ist ein zentrales Thema menschlicher Gesellschaften. In diesem Kontext entwickelte sich der PKW zum primären Fortbewegungsmittel. Die Ausführung der Fahraufgabe stellt in diesem für Fahrerinnen und Fahrer bereits eine hohe Belastung dar. Trotzdem bearbeiten sie oft zusätzliche fahrfremde Tätigkeiten (FFT). Aufgrund der begrenzten menschlichen Kognitionsressourcen kann diese parallele Bearbeitung mehrerer Aufgaben zu Fahrerablenkung führen. Allerdings sind Menschen relativ zu den gefahrenen Kilometern selten in schwere Unfälle verwickelt. Dies legt nahe, dass sie Fähigkeiten zur Unfallvermeidung besitzen. Hierzu konnte Forschung im Kontext des nicht-automatisierten Fahrens zeigen, dass Fahrerinnen und Fahrer ausgehend von ihrem Situationsbewusstsein in Erwartung einer kritischen Fahrsituation bzw. Fahrleistung proaktiv ihre (kognitiven) Ressourcen regulieren und von FFT auf die Fahraufgabe verschieben. Verschiedene theoretische Modelle beschäftigten sich mit diesem regulativen Fahrerverhalten. Aufbauend auf diesen stammt ein ganzheitliches Arbeitsmodell von Schwalm, Voß und Ladwig (2015; Voß & Schwalm, 2015), welches das regulative Fahrerverhalten als funktionale Verhaltensanpassungen konzeptualisiert. Während Fahrerinnen und Fahrer im nicht-automatisierten Fahren für die sichere Ausführung und Überwachung der Fahraufgabe zuständig sind, ist eine solche dauerhafte Involvierung im automatisierten Fahren je nach Automationsgrad nicht mehr erforderlich. Fahrerinnen und Fahrer können sich mit FFT beschäftigten (ab SAE Level 3) und das Situationsbewusstsein der Fahrerinnen und Fahrer sinkt ab. Dennoch dürfen sie jederzeit in die automatisierte Fahrzeugführung eingreifen bzw. werden bis zu einem bestimmten Automationsgrad sogar als Rückfallebene benötigt (bis SAE Level 3). Aus dieser Kombination eines reduzierten Situationsbewusstseins und den möglichen Fahrereingriffen im automatisierten Fahren ergibt sich die Frage, wie Fahrerinnen und Fahrer es schaffen, in solchen Situationen eine sichere Fahrleistung zu gewährleisten und ob sie zu diesem Zweck auch hier auf die funktionalen Verhaltensanpassungen zurückgreifen können. Die vorliegende Dissertation nimmt sich dieser Thematik an. Es wird die Zielsetzung (a) der theoriebasierten und empirischen Ausarbeitung ausgewählter Komponenten des Arbeitsmodells der funktionalen Verhaltensanpassungen von Schwalm et al. (2015; Voß & Schwalm, 2015) als theoretischer Referenzrahmen der Dissertation sowie (b) der spezifischen Untersuchung der Verfügbarkeit und Ausprägung derselben im Rahmen des automatisierten Fahrens verfolgt. Hierzu wurde das Arbeitsmodell zunächst theoriebasiert detailliert. Es wurde herausgearbeitet, dass die funktionalen Verhaltensanpassungen im Mehrfachaufgabenkontext vor allem in Abhängigkeit der Situationswahrnehmung sowie der subjektiven Fahrleistungsbewertung auftreten. Anschließend wurden Annahmen zur Funktionsweise der funktionalen Verhaltensanpassungen im automatisierten Fahren getroffen. Es wurde postuliert, dass Fahrerinnen und Fahrer im Falle von Übernahmen proaktiv die Bearbeitung von FFT zur Freigabe kognitiver Ressourcen reduzieren, welche anschließend für das sichere Lösen der Fahraufgabe genutzt werden. Diese Annahmen wurden anschließend empirisch geprüft. In einer Fahrsimulationsstudie (Studie 1) wurden die funktionalen Verhaltensanpassungen in Abhängigkeit der Situationswahrnehmung in einer sich verändernden Fahrsituation (Übernahmesituation vom automatisierten zum nicht-automatisierten Fahren) untersucht. Es zeigte sich, dass Fahrerinnen und Fahrer gemäß den theoretischen Annahmen vor einer Übernahme proaktiv die FFT reduzierten, hierüber kognitive Ressourcen freigaben und somit eine sichere Übernahme ermöglichten. Die folgenden Studien untersuchten die Idee, dass solche funktionalen Verhaltensanpassungen ebenfalls bei Abweichungen von subjektiv akzeptierten Trajektorien auftreten können. Zunächst wurde das Konstrukt einer subjektiv angemessen empfundenen Fahrleistung diskriminanz- und faktorenanalytisch geprüft (Studie 2) und Schwellenwerte subjektiv akzeptierter Fahrleistungen hinsichtlich des Lateralversatzes in Abhängigkeit diverser Personen- und Situationsfaktoren bestimmt (Studien 3 und 4). Anschließend wurde in den Studien 5 und 6 die Handlungsrelevanz der Fahrleistungsschwellen im Mehrfachaufgabenkontext des automatisierten Fahrens im Fahrsimulator und unter Realbedingungen auf einer Teststrecke untersucht. Bei Überschreitungen der Schwellenwerte einer subjektiv angemessen empfundenen Fahrleistung zeigten sich dort nicht nur Komforteinbußen, sondern auch die erwarteten funktionalen Verhaltensanpassungen. Im Anschluss an eine proaktive Reduktion der FFT griffen Fahrerinnen und Fahrer vermehrt in die automatisierte Fahrzeugführung ein. Die Eingriffe waren teilweise allerdings nicht optimal bzw. sogar sicherheitskritisch. Die Erkenntnisse der sechs empirischen Studien erlaubten abschließend Schlussfolgerungen zu der Verfügbarkeit funktionaler Verhaltensanpassungen im automatisierten Fahren. Weiterhin wurde zukünftiger Forschungsbedarf, wie die fortführende Modellvalidierung oder die konkrete Gestaltung automatisierter Systeme zur Unterstützung der funktionalen Verhaltensanpassungen, identifiziert.Individual mobility is a central theme of human societies. In this context, the car has become the primary means of transport in which the execution of the driving task already constitutes a high task load for drivers. Nevertheless, they often work on non-driving related tasks. Due to the limited human cognitive resources, this parallel processing of multiple tasks can lead to driver distraction. Yet, people are rarely involved in serious accidents relative to the kilometres driven. Drivers thus seem to have abilities for the avoidance of accidents. Research in the context of non-automated driving can support this claim. Studies could show that drivers - based on their situation awareness - proactively regulate their (cognitive) resources and shift them from the non-driving related tasks to the driving task in case they expect a critical driving situation or driving performance. Various theoretical models dealt with this regulative driver behaviour. Based on these, a holistic working model originates from Schwalm, Voß and Ladwig (2015; Voß & Schwalm, 2015). It conceptualises this regulative driver behaviour as functional behavioural adaptations. While in non-automated driving drivers are responsible for the safe execution and monitoring of the driving task, in automated driving such a permanent involvement in the driving task is no longer necessary, depending on the degree of automation. Drivers can work on non-driving related tasks (from SAE Level 3 on) and drivers’ situation awareness decreases. However, they are allowed to intervene into the automated vehicle guidance at any time or are even required as fall-back option up to a certain degree of automation (until SAE Level 3). This combination of a reduced situation awareness and possible driver interventions in automated driving raises the question of how drivers guarantee a safe driving performance in such situations and whether they can make use of functional behavioural adaptations. This doctoral thesis deals with this topic. The objectives are (a) the theory-based and empirical elaboration of selected components of the working model regarding functional behavioural adaptations from Schwalm et al. (2015; Voß & Schwalm, 2015) as theoretical frame of reference of this doctoral thesis, and (b) the specific investigation of the availability and characteristics of these in the context of automated driving. For this purpose, the working model was detailed theory-based. It was highlighted that the functional behavioural adaptations in the multitasking context particularly occur depending on the perception of a situation and depending on the subjective evaluation of a driving performance. Following, assumptions were made on how functional behavioural adaptations work in the context of automated driving. It was postulated that in case of takeovers, driver proactively reduce activity in non-driving related tasks to release cognitive resources, which subsequently are used for the safe execution of the driving task. These assumptions were empirically assessed. In a driving simulation study (study 1), the functional behavioural adaptations were examined as a function of the perception of a changing driving situation (takeover from automated to non-automated driving). According to the theoretical assumptions, drivers proactively reduced the processing of a non-driving related task before a takeover, released cognitive resources, and thus enabled a safe takeover. The following studies investigated the idea that such functional behavioural adaptations can also occur in case of deviations from a subjectively accepted trajectory. Initially, the construct of a subjectively accepted driving performance was examined by means of discriminant function and factor analysis (study 2). Thresholds of such a subjectively accepted driving performance regarding the lateral offset as a function of various personal and situational factors were examined (studies 3 and 4). Subsequently, studies 5 and 6 investigated the relevance for action of the thresholds in the multitasking context of automated driving in a simulator and under real conditions on a text track. In case the thresholds were exceeded, not only comfort losses but also the expected functional behavioural adaptations occurred. After a proactive reduction of the non-driving related task, drivers often intervened in the automated vehicle guidance. Some of the interventions, however, were not optimal or even safety critical. These insights of the six empirical studies allowed for conclusions regarding the availability of functional behavioural adaptations in the context of automated driving. Furthermore, future research needs were identified, for example a continued working model validation or the design of automated systems which support the functional behavioural adaptations.
OpenAccess: PDF
(zusätzliche Dateien)
Dokumenttyp
Dissertation / PhD Thesis
Format
online
Sprache
German
Externe Identnummern
HBZ: HT020559421
Interne Identnummern
RWTH-2020-08467
Datensatz-ID: 795637
Beteiligte Länder
Germany