2020 & 2021
Dissertation, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, 2020
Veröffentlicht auf dem Publikationsserver der RWTH Aachen University 2021
Genehmigende Fakultät
Fak02
Hauptberichter/Gutachter
;
Tag der mündlichen Prüfung/Habilitation
2020-06-09
Online
DOI: 10.18154/RWTH-2021-00948
URL: https://publications.rwth-aachen.de/record/811105/files/811105.pdf
Einrichtungen
Inhaltliche Beschreibung (Schlagwörter)
Denkmalpflege (frei) ; Gebäudeversetzung (frei) ; Stadtbild (frei) ; Stadtgestaltung (frei) ; Translozierung (frei) ; relocation (frei)
Thematische Einordnung (Klassifikation)
DDC: 720
Kurzfassung
Die Arbeit beleuchtet die historische Dimension von Gebäudeversetzungen im Städtebau. Erstmals wird Translozierung als Methode zur Stadtbildrekonstruktion untersucht. Aus der detaillierten Begriffsgeschichte und Einzelbeispielen kristallisiert sich die Versetzung der Berliner Gerichtslaube als Zündpunkt städtebaulicher Translozierungen heraus. Mit den ersten Städtebau-Publikationen machte das Modell Schule. Bei diversen stadtplanerischen Eingriffen und Durchbrüchen um 1900 wurde anfallendes denkmalwertes Material eingelagert und wiederverwendet. In Städten mit entsprechendem Baubestand wurde die Methode zum System. Verantwortlich dafür zeichneten sich Denkmalpfleger, die noch nicht scharf von Stadtplanern zu trennen waren. Zum großflächigen systematischen Einsatz kamen Translozierungen schließlich bei den Stadtumbauten der 1930er und im Wiederaufbau einer Vielzahl westdeutscher Großstädte. Städtebauliche Leitbilder machen deutlich, dass bis in die 1970er Translozierungen neben Anpassungsneubau, Platzrekonstruktion und Arkadenbauweise als gleichberechtigte Antwort auf die Städtebaufragen gesehen wurde. Vor allem die Flächensanierungen ab den 1960er Jahren boten Raum für reorganisierte Stadtbereiche, in denen Originalsubstanz als Historizitäts- und Authentizitätsanker die städtische Identität binden sollte. Die einzelnen Gebäude wurden oft als wenig erhaltenswert betrachtet, in einem größeren Zusammenhang aber als stadtbildprägend wahrgenommen. Nur selten wurde dabei nach heutigem Verständnis originalgetreu gearbeitet, vielmehr ging es um die Ensemblewirkung bestimmter Altstadtareale. So konstituierten sich Altstädte typischer Gestalt, deren zugehöriges Narrativ unkundigen Betrachtern die Entstehungsgeschichte nicht offenlegt – ein Versäumnis, dass die Authentizität in Frage stellt. Trotz der ablehnenden Haltung vieler Fachleute, nehmen viele Menschen die Stadtviertel mit translozierten Gebäuden heute als immanenten ursprünglichen Teil ihrer Umgebung war. In keiner deutschen Großstadt wurde dies so massiv ausgeführt wie in Aachen. Im Stadtgebiet sind mindestens 50 Gebäude nachweisbar, deren Fassaden aus translozierten Elementen bestehen sowie mindestens 15 Fassadenrekonstruktionen und über 25 weitere mit historischem Baumaterial errichtete oder ergänzte Gebäude. Begünstigt wurde dies durch die regionaltypische Architektur des gebundenen Backsteinbaus, dessen architektonische Gliederungselemente aus Blaustein bestehen. Am Beispiel wird untersucht, wie die Sammlung alter Bauteile zum System werden kann, wie zwischen Stadtplanung und Denkmalwert ein tragbarer Konsens gefunden werden muss. Hierbei sind zwei Zeitphasen zu unterscheiden: der eigentliche Wiederaufbau auf zerstörten Bauplätzen und die Stadtsanierung in definierten Gebieten mit flächenhaften Abrissen und Neuplanungen. Der Wiederaufbau hing stark von den lenkenden Akteuren ab. Die Stadtgestaltung Aachens muss im Kontext der Stadtgeschichte und struktureller Faktoren gesehen werden. Entsprechend ist die Neuordnungsplanung im Zeitkontext zu beleuchten. Zur Aufarbeitung der Planungsgeschichte und des systematischen Materialumschlages konnte dafür auf eine Fülle bisher unbekannter Quellen zugegriffen werden. Der Kern der Arbeit ist die Beschreibung der unterschiedlich gelagerten Translozierungen im 20. Jahrhundert. Hier wird klar, wie aus anfänglichen Einzelstücken und Kriegszerstörungen sukzessive eine Lagerhaltung und ein geplanter Einsatz gelagerter Fassaden entstand, die anderenorts der Stadtplanung weichen mussten. Es ist selbstverständlich, dass diese europaweit angewandte Methode eine massive kritische Auseinandersetzung bedingte, in der sich Preise und fachliche Kritik unversöhnlich gegenüberstanden. Wesentliche architektonische Aspekte, wie die Besonderheit der Ecke, sowohl die historische als auch die neue Interpretation der Übergänge, oder die bewusste Inszenierung und Idealisierung bestimmter Fassaden verdeutlichen den Gestaltungsanspruch der Architekten beim Umgang mit dem Altmaterial. Die Stadtgestaltung mit Altfassaden war Teil eines überaus modernen Stadtumbaus, der den Strukturwandel durch Bildwirkungen abzumildern versuchte. Die neue Gestaltung der Altstadt gibt zudem der Umgebung der beiden zentralen Monumente der Aachener Stadtgeschichte einen modellierten Rahmen. Abschließend ist deshalb noch zu klären, wie sich der Denkmalwert dieser Bauwerke heute – nach dem Ende dieser städtebaulichen Phase – definiert.The dissertation sheds light on the historical dimension of building relocations in urban planning. For the first time, relocation is examined as a method for urban reconstruction. From the detailed history of the concept and individual examples, the relocation of the Berlin courthouse arbor crystallizes as the ignition point of urban planning relocations. With the first urban planning publications, the model set a precedent. During various urban planning interventions and breakthroughs around 1900, material worthy of preservation was stored and reused. In cities with a corresponding building stock, the method became a system. Responsible for this were monument conservators, who could not yet be sharply separated from urban planners. Finally, relocation was used systematically on a large scale in the urban redevelopment of the 1930s and in the reconstruction of many large West German cities. Urban planning models make it clear that until the 1970s, relocations were seen as an equal response to urban development issues alongside adaptation new construction, square reconstruction, and arcade construction. Especially the area redevelopments from the 1960s onward offered space for reorganized urban areas in which original substance was supposed to bind urban identity as an anchor of historicity and authenticity. The individual buildings were often considered to be of little preservation value, but in a larger context they were perceived as having an impact on the cityscape. Only rarely was the work done true to the original according to today's understanding; rather, it was a matter of the ensemble effect of certain old town areas. In this way, old towns of typical shape were constituted, whose associated narrative does not reveal the history of their origin to uninformed observers - an omission that calls authenticity into question. Despite the dismissive attitude of many experts, many people today perceive the districts with relocated buildings as an immanent original part of their surroundings.In no other major German city was this done on such a massive scale as in Aachen. In the city area, there are at least 50 buildings whose facades consist of relocated elements, as well as at least 15 facade reconstructions and more than 25 other buildings constructed or supplemented with historic building materials. This was favored by the typical regional architecture of the bound brick building, whose architectural structuring elements are made of bluestone. The example is used to examine how the collection of old building components can become a system, how a workable consensus must be found between urban planning and monument value. Two time phases are to be distinguished: the actual reconstruction on destroyed building sites and the urban redevelopment in defined areas with extensive demolitions and new planning. Reconstruction depended heavily on the directing protagonists. The urban design of Aachen must be seen in the context of the city's history and structural factors. Accordingly, the reorganization planning has to be considered in the context of time. In order to reappraise the history of planning and the systematic handling of material, it was possible to access a vast number of previously unknown sources. The core of the dissertation is the description of the different types of relocations in the 20th century. Here it becomes clear how initial individual fragments and wartime destruction successively gave rise to a stockpiling and planned use of stored facades that had to give way to urban planning elsewhere. It goes without saying that this method, which was applied throughout Europe, required a massive critical debate in which prices and professional criticism stood irreconcilably in opposition to each other. Essential architectural aspects, such as the special nature of the corner, both the historical and the new interpretation of the transitions, or the deliberate staging and idealization of certain facades, illustrate the design aspirations of the architects in dealing with the old material. The urban design with old facades was part of an extremely modern urban redevelopment, which attempted to mitigate the structural change through visual effects. The new design of the old town also gives a modeled framework to the surroundings of the two central monuments of Aachen's urban history. In conclusion, therefore, it remains to be clarified how the monumental value of these buildings is defined today - after the end of this urban development phase.
OpenAccess: PDF
(zusätzliche Dateien)
Dokumenttyp
Dissertation / PhD Thesis
Format
online
Sprache
German
Externe Identnummern
HBZ: HT020710755
Interne Identnummern
RWTH-2021-00948
Datensatz-ID: 811105
Beteiligte Länder
Germany
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